Erfolgreiche Anleger und Anlegerinnen handeln rational und folgen zielstrebig einer festgelegten Strategie. Wirklich? Nein, auch erfolgreiche Anleger und Anlegerinnen sind Menschen. Das bedeutet, sie haben Emotionen, Erinnerungen und Erfahrungen mit im Gepäck. Sie haben gelernt typische Fehler in der Geldanlage zu vermeiden. Beispielsweise unser Hang zur Selbstüberschätzung.
Wir sind doch alle Superhelden.
Starten wir mit einem kleinen Experiment. Nenne wir es: Wie bin ich? Deine Aufgabe: Schätze dich bitte selbst ein. Finde passende Werte auf einer Skala von 1 bis 10. 1 bedeutet gar nicht bzw. sehr schlecht. 10 steht für super bzw. nicht zu übertreffen. Nun stufe dich bei folgenden Schätzfragen auf der Skala von 1 bis 10 ein:
Wie …
- … intelligent bist du?
- … gut fährst du Auto?
- … erfolgreich bist du mit deinen Anlageentscheidungen?
Fertig? Und wo liegst du? Sieben von zehn Menschen geben sich bei zumindest zwei der Fragen einen Wert von fünf oder höher an. Sie ordnen sich über dem Durchschnitt ein. Bist auch du überzeugt, besser zu sein, als es die anderen sind? Was dieser kleine Versuch zeigt: Mensch sieht sich gerne als Superheld. Nicht immer, aber in gewissen Situationen. Eben dieses Phänomen lässt sich auch in der Geldanlage beobachten.
So gestaltest du deine Entscheidungen erfolgreicher und vermeidest typische Fehler in der Geldanlage.
Viele Anleger überschätzen sich und ihre Fähigkeiten. Auch Profis sind davor nicht gefeit. Der Fachbegriff für diese Fehlleistung ist overconvidence bias oder Selbstüberschätzungs-Tendenz. Nobelpreisträger Daniel Kahneman (Prospect Theory) bezeichnet in seinem Bestseller “Schnelles Denken, langsames Denken” den Overconfidence Bias als allgegenwärtigen Effekt und sieht in ihm die wirkmächtigste kognitive Verzerrung.
Typische Fehler in der Geldanalge unter dem Einfluss der Selbstüberschätzung.
Allzu oft kommen tiefgreifende Gefühle Anleger teuer zu stehen. Sie sorgen für mickrige Renditen bei der Geldanlage oder verführen uns zu Investitionen. Einige Fehler sind weit verbreitet:
Alles auf eine Karte. | Fehler 1
Ist eine anlegende Person von ihren Entscheidungen überwiegend überzeugt, versucht sie mit der gezielten Auswahl von Aktien und anderen Wertpapieren den Markt zu beherrschen. Was dabei vergessen sie den Grundsatz der Diversifikation: Verschiedene Anlagen in einem Depot tragen dazu bei, das Risiko der einzelnen Positionen gering zu halten. Stattdessen setzen Sie alles auf eine Karte.
Wissen macht erfolgreich. | Fehler 2
Andere Finanzmarktteilnehmende glauben, bestimmte Unternehmen besonders gut zu kennen und greife deswegen zu Aktien dieser Organisation. Im Glauben des besseren Wissens überschätzen diese Anleger und Anlegerinnen auch Ihre Qualität zur Vorhersage und Entwicklung der Aktien – Stichwort market timing. Ein- und Ausstiege zum richtigen Zeitpunkt sollen die Rendite verbessern. In der Praxis schlägt aktives Portfoliomanagement aber oftmals fehl, wie wissenschaftliche Studien gezeigt haben. In einer Studie von Odean (1998) im Zeitraum 1991 bis 1997 erzielte aktivere Anlegende eine Nettorendite von 11,4 Prozent, jene Depots mit wenig Aktivität verbuchten 18,5 Prozent Rendite.
Market timing drückt die Rendite, weil es die Gefahr birgt, die besten Börsentage zu verpassen. Reges Handeln an der Börse ist obendrein auch nicht umsonst. Was ebenfalls die Rendite schwächt.
Der Markt ist unfehlbar. | Fehler 3
Trends gibt es auch an der Börse. Anlegende, die bisher überwiegend gute Erfahrungen gemacht haben, orientieren sich am Kaufverhalten der Mehrheit. In anderen Worten: Sie investieren in Anlagen, die gerade modern sind. Bringt ein Tech-Unternehmen ein neues Produkt auf den Markt oder stehen zwei Weltkonzerne vor der Fusion, läuft der Marketing-Maschinerie auf Hochtouren. Das wiederum gibt aber keinen Hinweis auf die künftige Entwicklung.
Aus Zuneigung kaufen. | Fehler 4
Nicht wenige Anleger fühlen sich einem bestimmten Land, einzelnen Unternehmen oder ganzen Branchen zutiefst verbunden. Persönlich gute Erfahrungen verleiten sie dazu Lieblinge zu haben. Und sammeln diese über dem Verhältnis im Depot zusammen. Diese Verzerrung ist als home bias oder Heimatmarktzuneigung beschrieben.
Sternenzauber Performance. | Fehler 5
Was haben der Blick auf funkelnde Renditen und jener in den sternenklaren Nachthimmel gemeinsam? Es handelt sich um Abbilder der Vergangenheit. So gut beides gefällt: Der Blick zurück sagt nichts über die zukünftige Entwicklung aus. Selbstüberzeugte Investorinnen und Investoren orientieren sich an der Performance einer Anlage. Sie gehen davon aus, dass diese auch in der Zukunft ähnlich ausfallen wird. Dafür gibt es jedoch keine Garantie.
So überschätzen sich Anleger und Anlegerinnen.
Kommen dir folgende Gedanken bekannt vor? Denn so denkt der Superhelden in der Geldanlage:
Nicht bei mir. Totalausfall oder hohe Verluste? Das passiert mir doch nicht! Andere tappen in diese Falle. Nicht ich.
Konsequenz: Du verzichtest auf ein gutes Risikomanagement und ausreichende Streuung.
Den Dreh hab ich raus. Meine Anlageentscheidungen sind überdurchschnittlich gut. Ich sammle die Perlenen in meinen Portfolio.
Konsequenz: Wozu deine Investments kritisch hinterfragen?
It’s all about … Kontrolle. Mein Handeln ist sehr überlegt. Ich bin gründlich informiert und weiß, was ich tue. Deshalb haben neue Informationen, die im Gegensatz zu meiner Meinung stehen, für mich keinen Mehrwert. Denn: Die anderen irren.
Konsequenz: Du verzichtest darauf, deine Meinung zu überdenken. Und verpasst den Moment deine Entscheidungen an neue Umgebungsbedingungen anzupassen.
Findest du dich in einer dieser Beispiele wieder? Oder denkst du: Nein, das gilt für andere. Aber nicht für mich. In diesem Fall ist du gerade Opfer deiner Selbstüberschätzung, dem Overconvidence Bias. Hier drei typischen Helden der Selbstüberschätzung im Überblick:
Die drei Superhelden der Geldanlage im Überblick.
Der Talentierte/Die Talentierte: Sieht sich als natürlich beschenkt mit Talent und ist deshalb überdurchschnittlich begabt für Geldgeschäfte und den Handel an der Börse.
Der Experte/Die Expertin: Wähnt sich sattelfest in jedem Wenn-dann-Szenario und rechnet mit großen Erfolgsaussichten. Er heftet sich selbst große Geld-Kompetenz an und hat sich selbst immer dann unter Kontrolle, wenn es wirklich wichtig ist.
Der Prophet/Die Prophetin: Er glaubt an die größtmögliche Treffsicherheit der eigenen Prognosen und hat stets die passende Analyse parat.
Du merkst es selbst. Es ist gar nicht einfach die menschliche Selbstüberschätzung abzulegen. Doch es ist möglich. Was kannst du tun, um objektive Anlageentscheidungen zu treffen?
Typische Fehler in der Geldanlage: Ganz ohne Superheldendenken zum Erfolg.
Wer Erfolg an der Börse haben will, braucht eine Strategie. Die Zusammenstellung der Investments entspricht dem eigenen Risikoprofil. Dazu braucht es klare Anlageziel. Schnell reich werden ist dabei weder ein klares, noch ein realistisches Anlageziel. Vielmehr ein Wunsch unseres Superhelden.
Ein weiterer Schlüssel für erfolgreiches Investieren ist Selbstreflexion. Dazu ein Zitat von James P. O’Shaughnessy:
“Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Investition liegt darin, zu erkennen, dass wir genauso anfällig für verzerrte Wahrnehmungen sind wie die nächste Person.”
4 Tipps, wie du die unerwünschten Nebenwirkungen der Selbstüberschätzung in der Geldanlage vermeidest.
Mit diesen 4 Tipps steigerst du deinen Anlageerfolg und dein Superheld kann sich bei anderen Themen austoben.
Bleib am Boden.
Erinnere dich in jenen Momenten daran, in denen du dich fühlst, als könntest du fliegen. Gewinnen steckt in deinen Genen? Du hast den Dreh in Sachen Geld raus? Du zeigst viele Eigenschaften vom Typ “Der Talentierte”? Dann frag dich vor jeder Anlageentscheidung: Was spricht gegen meine Meinung?
Stick to the plan.
Egal, was deine unmittelbar letzten Anlageentscheidungen gebracht oder verloren haben. Bleib bei deiner Strategie. Eine der wichtigsten Grundsätze kluger Anlageentscheidungen: Orientiere dich am Prozess und deinen Investment-Regeln. Nicht am Ergebnis.
Spüre Wissenslücken auf.
Halbwissen stärkt die Tendenz zur Selbstüberschätzung. Finde deshalb heraus, was du nicht weißt. Damit beugst du dem Bestätigungsfehler vor. Passend dazu der Podcast 006 Warum dich deine Meinung Geld kostet und was du tun kannst, um das zu verhindern. Der passende Blog-Beitrag zum Nachlesen: Die Grenze der Objektivität.
Schreib ein Finanz-Journal.
Dokumentiere deine Anlageentscheidungen. Alle. Wie jeder Anleger erinnerst du auch du deine wahre Performance schlecht. Mit einem Finanz-Journal, sicherst du dir den ungetrübten Rückblick.
Warum dein Superheld wichtig für deinen Alltag ist.
Warum neigt Mensch dazu, sich selbst zu überschätzen? Die Forschung hat darauf eine klare Antwort. Selbstsichere Menschen sind angesichts von Rückschlägen widerstandsfähiger. Psychologie bringt in diesem Zusammenhang den Begriff Resilienz. Das bringt gleich drei entscheidende Vorteile mit sich.
Eine positive Selbsteinschätzung wirkt sich günstig auf unser Selbstbewusstsein aus und lässt uns mutig und tatkräftig in die Zukunft gehen. Bei stark sinkenden Aktienpositionen bleiben selbstbewusste Anleger länger besonnen und schmeißen seltener das Handtuch.
Glaubst du an dich und deine superheldische Kraft, macht dich das glücklicher und gesünder. Wie Studien zeigen, werden Zukunftssorgen und Ängste größer, wo die Selbstüberschätzung weniger wird. Der Blick durch die rosarote Brille und der Glauben daran, dass wir das schon schaffen, macht uns entspannter.
Wer sich selbst überschätzt wird faktisch besser. Betrachten wir uns und unsere Zukunft positiver dann arbeiten wir härter und erreichen Ziele. Selbstsichere Menschen grübeln weniger und kommen ins Tun.
Resümee: Superhelden kommen dir in der Geldanlage teuer und sind im Alltag hilfreiche Begleiter.
Wer im eigenen Spiegelbild einen Superheld oder eine Superheldin erkennt, profitiert von einer produktiveren, gesünderen und nervenschonenderen Grundeinstellung. In der Geldanlage verleitet die Selbstüberschätzung zu typischen Fehlern, die häufig Rendite kosten. Um fehlerhaftes Verhalten zu vermeiden, eignet sich rationales Entscheidungsverhalten, das zuvor in einer individuellen Anlagestrategie erarbeitet und festgeschrieben wurde.
Hören statt lesen: Die Podcastfolgen zum Overconfidence Bias
#MMP 008: Warum Superhelden keine guten Anlageentscheidungen treffen. So stellst du deine finanzielle Freiheit über dein Ego. Teil 1/2.
#MMP 009: So verstehst du Analysen in der Geldanlage zutreffend. Und: Warum auch Analysten zum Overconfidence Bias neigen.
Weiterlesen, weiterhören, weiterdenken: Mehr zum Overconfidence Bias.
Kahnemann, Daniel: “Schnelles Denken. Langsames Denken.”
Montier, James, Behaving Badly (February 2, 2006). Zum Paper weiter klicken.
Daniel, Crosby: Die Gesetze des Reichtums.
Interview mit Ray Dalio in Forbes.
James Montier, (2007): Behavioural Investing: A Practitioner’s Guide to Applying Behavioural Finance. John Wiley & Sons Ltd
James Montier (2010): The Little Book of Behavioral Investing: How not to be your own worst enemy (Little Books. Big Profits (UK)
Calderon TG (1993) Predictive properties of analysts’ forecasts of corporate earnings. Mid-Atlantic J. Bus 29: 41–58
Bildquellen:
canva.com