Wie dein Steinzeithirn noch heute deine Entscheidungen in der digitalen Geldanlage beeinflusst. So verwandelst du deine Entscheidungen in Ertrag.
Dieser Beitrag gibt Antworten auf 5 Fragen und liefert dir 5 hilfreiche Tipps für kluge Anlageentscheidungen.
- Warum du besser im Winter als im Frühjahr investierst.
- Wie dich ein leckerer Snack erfolgreicher macht als ein murrend-knurrender Magen.
- Wieso du dein persönliches Anlageverhalten in Verbindung mit deinen ersten Anlageerfahrung sehen musst.
- Was Glückshormone und Stresshormone in der Geldanlage auslösen.
- Weshalb dein Hirn spontane Investmentideen generiert und du diese meiden musst
Dein Gehirn ist alt, hungrig und ungeduldig.
Der Aktienmarkt ist rund 400 Jahre alt. Eine vergleichsweise junge Entwicklung in der Menschheitsgeschichte. Hingegen hat sich das Gehirn des modernen Menschen in den letzten 150.000 Jahren nicht maßgeblich gewandelt. Die Konsequenz: Passen wir nicht auf, verleitet uns unser alte, hungrige und ungeduldige Gehirn zu Entscheidungen, die in komplexen Situationen nachteilig sind.
Etliche Stolperfallen rühren daher, dass wir in der vergleichsweisen jungen Welt der Börse mit einer alten Hardware arbeiten – dem menschlichen Gehirn. Ein Beispiel für die These vom Steinzeithirn leifert das Forschungsteam um da Rocha. Sie wiesen weltweit wirksame saisonale Effekte im Aktienhandel nach. Die Lust auf Risiko nimmt im Frühjahr zu und im Herbst wieder ab. Fast so, als würde man die Ernte für die kalte Jahreszeit in Sicherheit bringen. Nicht, dass sich die kostbare Aktien-Saat noch Frostbeulen holte.
Von Aktien-Ernte und Säbelzahn-Analysen.
Eine Erklärung für dieses scheinbar irrationale Verhaltensmuster leifert die Neurofinanz. Hirnareale, deren Aufgabe es zur Zeit der Säbelzahntiger war, Angriffe abzuwehren, beschäftigen sich heute mit abstrakten Risiken. Beispielsweise den Risiken am Kapitalmarkt. In der Säbelzahn-Analyse war Erfolg gleich Überleben und damit eines wichtig: Unmittelbare Reaktion und lebensrettende Flucht. Diese Hirnareale eigenen sich nicht für eine eingehende Analyse des komplexen Börsengeschehens. So ist Verhalten, das einst entscheidend zur erfolgreichen Flucht vor Raubtieren beitrug, heute eine Stolperfalle in der Geldanlage.
Mit wecheln Reaktionsmustern das Steinzeithirn auf komplexe Anforderungen reagiert und welche Entscheidungen folgen, ist stark von unseren ersten Erfahrungen in der Geldanlage bestimmt. Ein portugiesisches Forscherteam untersuchte die individuelle Prägung durch frühe Investmenterfahrungen. Gruppe 1 sammelte erste Erfahrungen im Bullenmarkt mit nahezu konstant steigenden Kursen. Gruppe 2 startete in einem volatilen Seitwärtsmarkt.
Frühe Prägung in der Geldanlage.
Die erstaunlichen Befunde: Abhängig von bisherigen Erfahrung nutzten die StudienteilnehmerInnen unterschiedliche Hirnareale für die Vorhersage der Marktentwicklung. Unter volatilen Bedingungen erfolgte die Vorhersage auf Basis unmittelbarer Information. Im stabilen Bullenmarkt nutzten die TeilnehmerInnen längere Datenreihen und versuchten Gesetzmäßigkeiten und Regeln abzuleiten.
Objektiv sind beide Herangehensweisen sinnvoll – solange der Markt nicht dreht. Ändern sich Rahmenbedingungen reagieren wir träge. Erst mit deutlicher Verzögerung passen AnlegerInnen ihre Erwartungen an den Markt an. Wir sind Gewohnheitstiere. Das individuelle Anlageverhalten sollte in Verbindung mit der eigenen Anlageerfahrung betrachtet werden. Frühe Erfahrungen prägen sich ein und beeinflussen die weitere Wahrnehmung. MarkteinsteigerInnen in den 1990er haben andere ersten Erfahrungen sammelte und andere Verhaltensweisen verinnerlicht, als jene die 2005 in den Markt einstieg.
Lust und Frust: Emotionen bestimmen unsere Entscheidungen.
Schon die alten Griechen waren der Meinung, dass wir von einem Lust- und einem Schmerzzentrum geleitet sind. Tatsächlich findet die moderne Neurowissenschaft Belege für zwei derart strukturierte Bereiche: Das Belohnungszentrum im Limbischen System und Neocortex. Für Angst und Stress-Empfinden werden die Hirnanhangsdrüsen, Hypothalamus, Hypophyse und die Nebennierenrinden aktiv. Das Belohnungszentrum verstärkt über die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin Lust und Freude. Das Stresshormon Kortisol bereit uns auf Flucht und Kampf vor.
So wirken Hormone auf Entscheidungen in der Geldanlage.
Das Lusthirn lässt uns risikofreudiger im steigenden Markt. Berauscht von Gewinnen werden wir risikoblind. Fällt der Markt, so wird das Schmerzzentrum aktiv und wir scheuen das Risiko.Die Konsequenz: Wir kaufen teuer ein (wenn andere auch kaufen) und verkaufen billig (wenn andere auch verkaufen). Anders gesagt: Nicht die beste Ertragsaussicht.
Verhalten, das unmittelbar zu einer Belohnung führt, lässt den Glückshormon-Spiegel Dopamin ansteigen. Ein angenehmes Gefühl von Glück und Zufriedenheit stellt sich ein. Je unerwarteter eine Belohnung, desto stärker die hormonelle Reaktion. Davon wollen wir mehr. Wir werden risikofreudig. Nach großen Gefühlsschwankungen stellt sich schnell ein stabiles Glückslevel ein. Wir gewöhnen uns an größere Erfolge und brauchen noch größere, um wieder Glücks zu erleben. Dieses Verhalten wird als hedonistische Tretmühle bezeichnet. Auch bei Geld ist die Vorfreude die größte Freude. Der Ökonom Robert Shiller geht davon aus, dass diese Gier nach Glück und Freude eine Aufwärtsspirale an den Märkten befeuert. Die Ursache von Blasenbildungen an internationalen Kapitalmärkten.
Weniger handeln, mehr Rendite.
Unser Gehirn bevorzugt unmittelbares Handeln. Für Nahrungssuche und Nestbau ist diese natürliche Ungeduld ein kluger Motivator. In der Geldanlage hingegen nicht. Studien zeichnen ein klares Bild: Mit zunehmender Trading-Frequenz sinkt der Portfolio-Ertrag. Wer mehr handelt, macht weniger Rendite. Das verdeutlicht eine Analyse von Fidelity International: Wer zwischen dem 31. Dezember 2007 und dem 31.Dezember 2017 voll im MSCI Europe Index investiert war, erzielte eine Rendite von knapp vier Prozent im Jahr. Wer zwischendurch ausstieg und die zehn besten Tage über die Gesamtlaufzeit verpasste, musste ein jährliches Minus von 2,62 Prozent verkraften. Noch häufigeres Aus- und Wiedereinsteigen kam besonders teuer: Wer die besten 40 Tage verpasste, verbuchte bittere 12 Prozent Minus im Jahr.
Auf Bedürfnisse achten: Batterien aufladen.
Zwar ist der Mensch keine Maschine, doch das Gehirn ist sein Motor und damit ein echter Energiefresser. Auch wenn es nur höchstens drei Prozent des eigenen Körpergewichts ausmacht, verbraucht es ein Viertel der Gesamtenergie des Körpers. Wird die Versorgung knapp folgen Konzentrationsstörungen, leichten Kopfschmerzen und Müdigkeit.
Um Engpässe zu vermeiden, gibt es körpereigene Energiesparmethoden – mentale Shortcuts. Das sind gedankliche Abkürzungen für die effiziente Erfassung von komplexen Prozesse. Beispielsweise der Berechnung der Flugbahn eines Fußballs. Die Psychologie bezeichnet diese Abkürzungen als Heuristiken. In vielen Alltagssituationen leisten sie wertvolle Dienste. Wer will denn schnell mal Physik-Nachhilfe nehmen, um nachmittags um vier beim Dorf-Kicken mitzuspielen? Zum Hindernis werden Heuristiken in abstrakten und komplexen Situationen. In Geldfragen legen sie uns teilweise falsche Schlussfolgerungen nahe und drängen nach Entscheidungen.
Ungeduldige Entscheidungen im Modus Rettung.
Fällt der Blutzuckerspiegel ab, fährt das Energie-Versorgungssystem das Notfall-Programm hoch. Das Gehirn fällt schrittweise in den Modus Rettung! Eine Heuristik nach der anderen wird abgefeuert, um Energie zu sparen. Niedriger Blutzucker signalisiert auch im 21. Jahrhundert: Leben oder Streben! Hunger erhöht impulsives, risikofreudiges Verhalten. Die einprägsame Erkenntnis für Investor*innen: Wer hungrig eine Order aufgibt, greifen wahrscheinlicher zu Investments, deren Risiko er nicht bereit wäre einzugehen, wäre er satt.
Auch der Autor Daniel Kahnemann stellt in seinem Buch “Schnelles Denken, langsames Denken” die Auswirkungen des menschlichen Stoffwechsels auf sein Entscheidungsverhalten dar. Das zeigt sich zum Beispiel am Anteil von angenommenen Bewährungsanträgen, der kurz nach dem Mittagessen seinen Höhepunkt hat und im weiteren Tagesverlauf abnimmt.*
Situationselastisches Wertempfinden.
Bevor wir zum Schlussresümee kommen, noch ein kleines Gedankenspiel. Erinnere dich an deine letzte Wanderung: Schritt für Schritt ging es hinauf auf den Berg. Die Sonne brannte. Die Zunge trocken vor Durst. Der Magen leer, weil die Kinder den Proviant schon auf der Hinfahrt vertilgten. Dann endlich oben. Die Hütte! Die Brettl-Jause mit dem kalten Bier schmeckte famos, allerweltbest. Auch das Tiefkühlgermknödel kann jenem markengleichen von der Schihütte niemals den Powidl (österr. für Pflaumenmus) reichen. Warum das so ist, hat etwas mit dem Wertempfinden auf sich. Dessen Wahrnehmung passt sich situationselastisch an den Zustand an. Trifft die Extremsituation urlaubsverblendeter Zufriedenheit auf akuten Blutzuckerabfall und knurrenden Magen, fällt die Schwelle für Kritik zu Boden. Hunger ist der beste Koch. Von diesem ganz natürlichen Verhalten beeinflusst sind natürlich auch alle Anlageentscheidungen: Darum besser nach einem guten Mittagessen kaufen, die eingestellte Zufriedenheit beugt Impulskäufe vor.
So wird Entscheidung zu Ertrag.
Halten wir fest, unser Gehirn ist genial, doch seine Funktionsbereiche sind etwas in die Jahre gekommen. Wer erfolgreich Geld anlegen will, sollte reflektiert entscheiden. Mit diesen Tipps trotzt du steinzeitlichen Verhaltensmustern.
- Versorge dich mit Treibstoff = Zucker. Das ist ein starker Tipp für tragfähige Entscheidungen. Denn ein hungriges Hirn entscheidet ungeduldig, spontan, impulsiv, risikofreudig. Schon ein Apfel kann deine Anlageentscheidungen verbessern.
- Du fühlst dich prickelnd, in dir brodelt Euphorie oder Panik? In diesem Moment bist du selbst die größte Gefahr für dein Geld. Dreh den Computer ab! Sobald du dich wieder ausgeglichen fühlst, bist du bereit, um gute Handlungen zu setzen.
- Vorschnelle Urteile lassen sich umgehen, indem du strukturiert an die Sache ran gehst. Überlege, was du bei deiner Anlage berücksichtigen möchtest und musst. Schreibe dir auf eine Seite die wichtigsten Punkte zusammen.
- Was-wäre-wenn-Zauberfrage. Lass deinem Hirn keine Wahl. Tricks dich mit der was-wäre-wenn-Frage aus, um an Standardantworten vorbei zu denken.
- Spontane Transaktionen sind wie Impulskäufe im Outlet-Center. Du willst sofort handeln? Mach einen Spaziergang, hol’ den Staubsauger raus oder vertief’ dich in das erste 5.000 Teile Puzzle deines Lebens. Ungeplante Investments werden die Ladenhüter deiner Geldanlage.
Und jetzt.
Grummelt der Magen. Gönn dir was – Dein Versorgungszentrum braucht Energie und du hast dir eine Belohnung verdient!
Literatur zum Weiterlesen
Studie von Symmonds und Kollegen (2010). Sie vergleichen die Urteile von Richtern in Abhängigkeit der Nahrungsaufnahme.
Kahneman, Daniel (2011) Thinking Fast and Slow. London, UK: Allen Lane
Symmonds M, Emmanuel JJ, Drew ME, Batterham RL, Dolan RJ (2010) Metabolic state alters economic decision making under risk in humans. PLoS ONE 5: e11090. [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
Białkowski J, Etebari A, Wisniewski TP (2012) Fast profits: investor sentiment and stock returns during Ramadan. J Bank Financ 36: 835–845 [Google Scholar
Levy DJ, Thavikulwat AC, Glimcher PW (2013) State dependent valuation: the effect of deprivation on risk preferences. PLoS ONE 8: e53978. [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
Vieito, João Paulo and da Rocha, Armando and Rocha, Fábio, Brain Activity of the Investor’s Stock Market Financial Decision (November 14, 2013). Journal of Behavioral Finance, Forthcoming. Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=2354407
Mindset Money Podcast
Lieber hören statt lesen? Dann höre doch in die passende Podcastfolge MMP 002 “Steinzeithirn trifft digitale Geldanlage. Kann das gut gehen?” hinein. Viel Spaß dabei!
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