Geschichten am Kapitalmarkt

Geschichten machen uns unkritisch und risikoblind. Sie synchronisieren unser Denken und Verhalten. Die perfekte Mischung für verlustreiches Entscheiden. Der kluge Investor wappnet sich gegenüber dieser Wunderwaffe der Beeinflussung. Lerne, wie du dich vor der Einflussnahme der Geschichten am Kapitalmarkt schützt.

Geschichten sind der Nährboden für verlustreiche Entscheidungen.

Wir lieben Geschichten von Kindheitstagen an bis ins hohe Alter. Sie schaffen Ordnung im Chaos und liefern uns Zusammenhänge, Muster und schlüssige Erklärungen. Auch wenn diese nicht immer wahrheitsgetreu sind. Geschichten sind Alleskönner. Sie bleiben mühelos im Kopf und liefern uns konkrete Handlungsempfehlungen. Yuval Noah Harari sieht in Geschichten die Grundlage unserer Vorherrschaft: „Wir Denken uns Geschichten aus und Verhalten uns dann so, als wären diese real. Die Fähigkeit sich über Fiktionen zu verständigen sichert unsere Vorherrschaft.“ [Yuval Noah Harari (2015): Eine kurze Geschichte der Menschheit, S. 25.]

Was dich heute erwartet:

  1. Storytelling: Die Macht der Geschichten.
  2. Die Bedeutung von Geschichten am Kapitalmarkt.
  3. Handlungsempfehlungen für deine erfolgreiche Geldanlage.
  4. Der kritische Blick auf die ETF-Erzählung.

Storytelling: Die Macht der Einflussnahme.

Warum hören wir ständig von Storytelling? Weil Geschichten unser Denken und Handeln synchronisieren. Storys sind perfekt, um unser Entscheiden zu beeinflussen. Sie übertragen Gedanken und Emotionen vom Erzähler zum Zuhörer. Ideal um unser Zusammenleben zu steuern. Jedoch sind sie in Wirtschafts- und Finanzleben gefährlich.

Wir kaufen Geschichten, nicht Objekte.

Rob Walker und Joshua Glenn nutzten die Macht der Geschichten um Bedeutungsloses in Bedeutungsvolles zu verwandeln. Im Rahmen ihres Significant Objects Project kauften sie 100 Flohmarktartikel und ließen diese mit Vorgeschichten ausstatten. Im Einkauf gaben die beiden 130 Dollar aus und verkauften die Flohmarktartikel auf Ebay für mehr als 3.600 Dollar. Was hier offensichtlich ist, ist bei Konsumgütern tägliche Praxis. Alltagsgüter mit Storys gepimpt zu Trendartikeln.

Die Mutter aller Finanz-Geschichten: Geld.

Was bei Konsumgütern funktioniert, kann am Kapitalmarkt nicht falsch sein. Der Finanzmarkt baut auf einer fundamentalen Geschichte auf: Der Erzählung vom Geld. Geld reine Fiktion. Eine menschliche Erfindungung, aufgebaut auf dem gemeinsamen Vertrauen über den Tauschwert.

Wir kaufen Geschichten, nicht Investments.

Weder der Kauf einer Zahnpaste noch der Kauf eines Investments verläuft rational und faktenorientiert. Vielmehr kaufen wir Geschichten, Zukunftsbilder und erhoffte Problemlöser. Geschichten knüpfen an unseren Ängsten, unseren Wünschen und unserer Hoffnung an.

Ein anschauliches Beispiel für die Kraft der Geschichten am Kapitalmarkt: Börsengängen und Emission. Kennst du diesen Gedanken: Wie reich wäre ich, wenn ich Apple, Facebook oder Amazon am ersten Tag gekauft hätte? Die Reue über entgangene Gewinne und die Sorge auch die Gewinner von Morgen zu verpassen machen uns risikoblind und unkritisch.

Anmerkung zum Trost: Selten endet die Zeichnung von Neuemissionen im finanziellen Wohlstand. Erfolgreiche IPOs weisen in den ersten drei Börsenjahren oft einen negativ Kursverlauf auf. Zu den Gewinnern der ersten Stunden zählen die nervenstarken Investoren. Sie hielten an ihren Werten trotz fallender Kurse und schlechten Storys fest.

Weitere Geschichten am Kapitalmarkt: Börsenberichte, Analysen, Jahresausblicke. Sie beschreiben Zusammenhänge, definieren Ursache und Folge und empfehlen uns, was wir zu tun haben. Angeknüpft an unsere Bedürfnis nach Sicherheit in einer ungewissen Zukunft. Dabei vernachlässigen wir, dass unsere Welt komplex und ungewiss ist. Die Zukunft ist nicht vorhersehbar und ständig im Wandel. Berichte und Analysen sind eine von vielen möglichen Betrachtungsweisen. Sie versuchen das Chaos zu ordnen. Kapitalmarkt-Storys beschreiben eine Version von Zusammenhängen und Mustern.

Marktanalysen sind ebenso eine Fiktion, wie Rotkäppchen und der böse Wolf.

Das Problem: Lineares Denken führt in komplexen Systemen zu falschen Schlüssen. In der Geldanlage funktionieren Wenn-Dann-Beziehung meist nicht. Die Konsequenz: Gute Geschichten sind schlechte Ratgeber in Sachen Geld. Sie schenken uns falsche Sicherheit und reduzieren unser kritisches Denken. Und sie synchronisieren unser Verhalten.

Geschichten sind der Brandbeschleuniger für Blasen am Kapitalmarkt.

Geschichten synchronisieren unser Denken und Handeln. Hilfreich im Alltag, keine Frage. In Sachen Geld führt dies zu Verlusten. In jeder Geschichte steckt ein wahrere Kern. Auch in jener von Rotkäppchen und dem bösen Wolf. Wo dieser Kern liegt, dass wissen wir heute nicht mehr mehr. Mit der Zeit erkennen wir nur mehr schwer den wahren Kern. Je länger eine Geschichte erzählt wird, je häufiger wir sie hören, desto unkritischer werden wir. Hier fängt das eigentliche Übel an. Geschichten sind das Brandmittel für Preisblasen am Kapitalmarkt. So hat es zumindest Robert Shiller formuliert. 

Am Anfang stehen fundamentale Fakten, die einen Preisanstieg rechtfertigen. Mit steigenden Kursen nimmt die Aufmerksamkeit zu und die Märchenstunde beginnt. Um die vergangene und künftige Kursentwicklung zu erklären, werden Geschichten formuliert. Schnell verbreiten sich Erzählungen, die unsere Grundängste oder unsere tiefen Wünsche ansprechen. Geschichten von hohen Gewinnen und sicheren Erträgen locken mehr Investoren an und führen zu steigenden Preisen. Bis der Zustrom an neuen Investoren ausbleibt. Im schlimmsten Fall sind die Fundamentaldaten nicht der Geschichte gefolgt. Die Kurskorrektur steht bevor. 

Geschichten gehören ans Lagerfeuer.

Wer sich bei der Geldanlage nicht die Finger verbrennen will, der kann folgende zwei Maßnahmen berücksichtigen:

Maßnahme 1: Glaube nichts, prüfe alles.

Erfolgreiche Geldanlage heißt Widerspruch zu suchen. Sei kritisch. Streiche dir die Fakten heraus und überlege: Wie kann ich die Geschichte anders erzählen? Welche Informationen sind nicht enthalten? Und: Was muss passieren, dass die Geschichte zum Horrormärchen wird?

Angelehnt an Warren Buffetts Regel Nummer 1 ist meine Mindset-Money-Regel Nummer 1: “Denke kritisch.” Das hilft dir Fakten besser zu erkennen und nach Unerzählten zu suchen. Du verstehst das Risiko deiner Investments besser und entscheidest erfolgreich.

Maßnahme 2: Bestimme aktiv, welche Geschichte dich erreicht.

Miste deine Informationskanäle aus. Alle Tipps dazu findest du im Blogbeitrag “Bessere Entscheidungen in der Geldanlage treffen. So klappt es.” und  im Beitrag “Die Grenze der Objektivität”

Kurz zusammengefasst: Hinterfrage die Qualität und den Mehrwert der von dir konsumierten Medien. Was bei deinem Qualitätscheck durchfällt streiche aus deiner Medienliste. Das ergibt garantiert weniger Geschichten.

Von der Theorie zur Praxis: Kritisches Denken am Beispiel der ETF Erzählung

Meine Investitionsregel Nummer 1 “Denke kritisch” im Praxistest. Ich habe mir für dich die Geschichte rund um passive Indexfonds genauer angesehen. Was wird in der ETF-Story nicht erzählt? Finde heraus, was das für dich und deine Investments bedeutet. Gleich weiterlesen: “Welche Risiken stecken in ETF-Investments? Das Märchen rund um Exchanged Traded Funds auf dem Prüfstand. “

Weiterlesen, weiterhören, weiterdenken.

Blogartikel: Welche Risiken stecken in deinen ETF-Investments? Das Märchen rund um Exchanged Traded Funds auf dem Prüfstand.

Podcast: #MMP 014: Warum das ETF-Märchen zur Horrorgeschichte werden kann. #Storytelling am Kapitalmarkt.

Significant Objects Project: http://significantobjects.com/

Yuval Noah Harari (2015): https://de.wikipedia.org/wiki/Eine_kurze_Geschichte_der_Menschheit

Bildquellen:

www.canva.com

 

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