ETF-Geschichte im kritischen Blick

Passive Indexfonds als das Investment für die Altersvorsorge? Ich sage: Eins unter mehreren. Der kluge Investor kennt die ganze Geschichte. Chancen und Risiken. Heute begeben wir uns auf die Gefahrenseite und schauen uns an, welche Risiken ETF-Investments aufweisen.

Welche Risiken stecken in ETF-Investments?

Im Blogbeitrag “Wie Geschichten die Geldanlage beeinflussen.” stelle ich die Wunderwaffe Erzählung vor. Inklusive Tipps, wie du dich gegen diese Einflussnahme wehren kannst. Ein Grundbaustein die Mindset Money Regel Nummer 1: “Denke kritisch.” Hier wenden wir diese Regel an der Geschichte der Exchanged Traded Funds an. 

Das erwartet dich hier: 

  1. Die ETF-Geschichte
  2. Steckt im ETF-Boom die nächste Blase?
  3. Liefern ETFs eine gute Streuung?
  4. Kann ich meine ETFs jederzeit verkaufen? 
  5. Noch mehr kritische Fragen.
  6. Empfehlung an ETF-Investoren

Vorweg: Ich bin weder für noch gegen passive Indexfonds. Für mich hat jedes Investment seine Berechtigung, seine Chancen und seine Risiken. Der kluge Investor kennt beide Seiten. Damit entscheidet er erfolgreich. 

Heilige ETFs? Oder der Wolf im Schafspelz?

Die gängige ETF-Geschichte kurz zusammengefasst: Exchanged Traded Funds sind das perfekte Anlageprodukt für Kleinanleger. Einfach, transparent und mit kleinen Beträgen erreicht der Kleinanleger eine breite Streuung. ETFs sorgen für eine faire Geldanlage. Jeder kann einfach, schnell und kostengünstig seine Veranlagung vornehmen und dabei besser abschneiden, als traditionelle Fonds. Schluss mit überhöhten Kauf- und Verkaufsgebühren. Die eigenen Finanzen am Onlinedepot sicher im Griff.

Du fragst dich, was daran nicht stimmen soll? Vieles ist in dieser Verkürzung übertrieben und doch zutreffen. Die Frage ist vielmehr: Was wird in der Erzählung rund um passive Indexfonds nicht erwähnt? Genau dort schauen wir heute hin. Wir fragen kritisch: Welche Risiken stecken in ETF-Investments?

Kritisch gefragt: Steckt im ETF-Boom die nächste Blase?

Wie im Blogartikel zu Kapitalmarkt-Geschichten aufgezeigt, sind Geschichten der Brandbeschleuniger für Blasen am Kapitalmarkt. Die Frage scheint berechtigt: Steckt hinter dem Hype rund um passive Indexfonds die nächste Blase?

Vor rund 43 Jahren hatte John C. Bogle, der Gründer der Vanguard Group, die zündende Idee zu Exchanged Traded Funds. Laut dem Londoner Analysehaus ETFGI lag das Anlagevolumen in Europa im März 2019 bei 816 Milliarden Dollar. Tendenz stark steigend. Vergleichen mit dem Weltvermögen ist der ETF-Markt weiterhin eine kleine Nummer.

Keine Blase? Meiner Erfahrung nach ist weniger das absolute oder relative Marktvolumen entscheidend. Vielmehr geht es um die Dynamik. Wenn Viele in ein Anlagesegment strömen, ist das oft der Anfang von Ende. Neue Gelder treiben die Preise und wenn – im Fall des Falles – alle zugleich raus wollen, wird es richtig teuer. Stoppmarken werden wirksam, Algorithmen generieren neue Verkaufssignale, Investoren werden nervös und ziehen ihr Geld ab. Die Abwärtsspirale ist in Gang. Schlagwort: Flash Crash.

Ist der ETF-Markt nicht zu breit für einen Flash Crash?

Beziehen sich die Produkte nicht auf unterschiedliche Indizes, sodass eine Überwerfung ausgeschlossen ist? Ein Blick in die Statistik gibt Aufschluss. Tatsächlich bündelt sich viel Kapital in einigen wenigen ETFs. Fließt dieses Kapital schnell zurück, belastet das die Kurse der dahinterstehenden Indizes. Starke Kursrückgänge können eine neue Verkaufswelle auslösen und der Run nach unten ist eröffnet.

Ansätze dieser Flash Crashs waren am amerikanischen Aktienmarkt am 05.02.2019 und zuvor am 24.08.2015 zu beobachten. Stopp-Loss-Orders führten zu einem verstärkten Verkaufsdruck bei ETFs. Laut dem Wiener Finanzprofessor Josef Zechner halten professionelle Anleger 40 Prozent der ETFs. Damit erzeugen sie 80 Prozent des Handelsumsatzes. Marktnähe und automatische Handelssysteme ermöglichen professionellen Anlegern einen schnellen Ausstieg. Im Fall des Falles würden Kleinanleger mit Buchverlusten konfrontiert sein. Die Finanzpsychologie zeigt: Wenige entscheiden im Anblick drohender Verluste rational.

Droht der Flash Crash? Seit 2016 warnen Notenbanken und Wissenschaftler vor den Risiken der passiven Geldschwemme. Die Masse macht aus einer guten Investmentidee eine Gefahr. Ein Teil der Kursgewinne der vergangenen Jahre geht auf Konto der starken Nachfrage. Wollen viele zur selben Zeit hinaus, kann dies zu überraschend starken Kursrückgängen führen.

Mindset Money Empfehlung:

Mach dir bewusst, dein ETF-Investment kann schneller und tiefer im Kurs fallen, als es die Kurshistorie vermuten lässt. Teste deine Krisenfestigkeit! Eine der möglichen Risiken bei ETF-Investments.

Kritisch gefragt: Liefern ETFs eine gute Streuung?

Vorweg: Du hast keine Ahnung von den Spielregeln der Index-Industrie? Für ein paar Basisinfos empfehle ich dir Wikipedia oder die Wiener Börse. Für uns reicht eine allgemeine Aussage: Aufnahme, Ausschluss und Gewichtung von Einzelwerten ist bei Indizes unterschiedlich geregelt.

Schauen wir uns zunächst eine beliebte Gewichtungsmethode bei Aktienindizes an: jene nach der Marktkapitalisierung. Das Gewicht eines Wertes im Index leitet sich aus dem Kapitalwert der freien Aktien ab. Damit ist die Gewichtung abhängig von der Kursentwicklung und der Anzahl an freien Aktien. Diese Indizes folgen diesem Prinzip: MSCI World, S&P 500, Euro Stoxx 50, Nasdaq Composite, Topix, DAX, ATX und andere.

Was bedeutet das für dich als ETF-Investor?

Konsequenz 1: Indizes auf Basis der Marktkapitalisierung bilden die Gewinner der Vergangenheit stärker ab. Entwickeln sich Werte eines Index sehr unterschiedlich, dann reduziert das die Streuung. Wenige Länder, Regionen oder Einzelwerte werden zum Schwergewicht im Index. Angenommen du willst in einen ETF auf den globalen Aktienindex MSCI World kaufen. Aktuell würdest du damit 60 von 100 Euro in US-Aktien investieren und 10 Euro in europäische Werte. Ansich nichts Verwerfliches, schließlich sind viele US-Konzerne global tätig. Worum es geht? Um deine Erwartung. Wer sich bei einem Index-Investing auf das Label verlässt, kann getäuscht werden.

Bei Anleihen gilt: Die größten Schuldner haben oft das größte Gewicht im Index. Das heißt nicht, dass diese auch die zahlungskräftigen sind. Als passiver Investor unbedingt im Kopf behalten.

Konsequenz 2: Marktteilnehmer verdienten auch früher Geld mit der Indexanpassung. Sie spekulierten auf Auf- und Absteiger. Mit der Erfolgsgeschichte der passiven Indexfonds wuchs auch die Spekulation. In Folge steigen Kurse bereits vor der Indexaufnahme deutlich an. Das Risiko überbewerteter Index-Werte steigt.

Mindset Money Empfehlung:

Was nach einer breit gestreuten Geldanlage klingt, muss es nicht sein. Vertraue nicht dem Label, prüfe den Inhalt und das Regelwerk des Index. Nichts spricht dagegen Themen, Regionen und Einzelwerten stärker zu gewichten. Solange es dir bewusst ist. Kenne die Risiken deiner ETFs.

Kritisch gefragt: Kann ich meine ETFs jederzeit verkaufen?

Um diese Frage zu beantworten braucht es einen Ausflug in die technische Abwicklung von passiven Indexfonds. Damit du deinen ETF jederzeit kaufen und verkaufen kannst sorgt ein Market Maker für Kauf- und Verkaufsmöglichkeit. Er berechnet auch den Kauf- und Verkaufskurs. Angenommen du verkaufst deine ETF Anteile auf den DAX. Der Market Maker bietet dir seinen Preis. Verkaufst du, gibt er deine ETF-Anteile an die jeweilige ETF-Gesellschaft weiter und erhält im Gegenzug die entsprechenden Aktien. Diese kann der Market Maker an der Börse verkaufen. Dieses Modell funktioniert einwandfrei – in einem ungestörten Markt. 

Was aber, wenn Sturm herrscht und die Kurse stark schwanken?

Im August 2015 kam es am amerikanischen Aktienmarkt zu einem kurzen Zwischencrash. Nachdem es an chinesischen und europäischen Börsen zu Kurseinbrüchen kam, machte die New Yorker Börse von einer neuen Regel gebrauch. Sie setzte vorbörsliche Preishinweise aus, um Spekulationen und panische Kurseinbrüche zu vermeiden. Bei einigen Werten war der Kurssprung derart groß, dass sie vom Handel ausgesetzt wurden. 45 Minuten nach der Markteröffnung waren weiterhin 35% der gelisteten Aktien vom Handel ausgesetzt.

Die Konsequenz: Die Market Maker der Exchanged Traded Funds waren blind. Wie sollten Sie faire Preise stellen, wenn ihnen die Kurswerte einiger Indexmitglieder fehlten? Um das eigene Risiko gering zu halten rechneten die Market Maker einen Sicherheitspuffer ein. Infolge lagen der Preis der ETFs deutlich unter dem Kurs ihrer Basiswerte. Nachdem sich der Markt beruhigt hatte ging die Preisdifferenz zwischen Indizes und ETFs auf das normale Niveau zurück. 

Exchanged Traded Funds weisen im normalen Marktumfeld eine gute Liquidität mit fairen Kursen auf. Auch im Falle eines Crashs ist es unwahrscheinlich, dass Market Maker Anlegern ihre ETF-Anteile nicht abnehmen. Die Frage ist vielmehr zu welchem Kurs. Die Bundesbank warnt vor erhöhten Risiken in wenig liquiden Nischenmärkten.

Mindset Money Empfehlung:

Europäische Börsen haben andere Handelsregeln, als die New Yorker Börse, aber auch hier gilt: Setzt der Handel des Basiswerts oder Mitglieder des Basiswertes aus, kann die Liquidität deines ETFs auf Null sinken. Das gilt ebenso für aktive Produkte. Auch wenn Bargeld derzeit Verluste bringt, schlachte zugunsten der Liquidität nicht alle Sparschweine. 

Noch mehr kritische Fragen.

Hier noch ein paar kritische Fragen im Schnelldurchlauf: 

Kritisch gefragt: Verkaufen wir unsere Unternehmen an Blackrock, Vanguard und State Street?

Hinter all den Exchanged Traded Funds steht meistens eins dieser drei Unternehmen: Blackrock mit iShares, Vanguard und State Street. Ganz klar, der Markt für passive Indexfonds wird von wenigen Anbietern dominiert. Für passive Indexfonds wie aktiven Fonds gilt: Die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte kann der Verwalter nutzen. Du hast deine Stimmrechte bei deinen Einzelinvestments bisher auch nicht genutzt? Macht also keinen Unterschied? Unmittelbar nicht. Was, wenn ich dir sage, dass Blackrock mittlerweile bei DAX-Unternehmen der größte Einzelaktionär ist und dementsprechend Einfluss besitzt? Bisher gab es keine Berichte über negative oder unerwünschte Einflussnahme. Das heißt nicht, dass dies so bleibt. 

Kritisch gefragt: Was steckt in synthetischen ETFs? 

Synthetische ETFs bilden die Wertentwicklung nicht durch den Kauf der Basiswerte ab. Ihr Vorteil: Sie ermöglichen passive Investments auf Rohstoffwerte oder wenig liquide Aktien. Und: Die Preisdifferenz zum Basiswertes ist geringer. Wie funktionieren synthetische ETFs ? Sie bilden die Kursentwicklung über Zahlungsversprechen mit einem oder mehreren Swap-Partner, in der Regel Banken, ab. Der ETF tauscht die Rendite seines Portfolios, meist Bluechips und Staatsanleihen (Trägerportfolio), gegen die Wertentwicklung des Basiswertes.

Was dich dieser Vorteil kostet? Ein Kontrahentenrisiko. Fällt ein Swap-Partner aus, bleibt dem Indexfonds der Wert des Trägerportfolios. Emittenten synthetischer ETFs bemühen sich dieses Risiko zu reduzieren. Verträge mit verschiedenen Swap-Partnern, hinterlegte Sicherheiten, tägliche Absicherungen der Wertdifferenz und Swaps auf maximal zehn Prozent des Fondsvermögens.

Dennoch, das Risiko bleibt. Bei einer neuerlichen Finanzmarktkrise steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Swap-Partner zahlungsunfähig wird. Daher: Prüfe doppelt, ob sich das höhere Risiko auszahlt.

Kritisch gefragt: Sharing ist Caring. Auch in Sachen Wertpapieren?

Manche ETF-Anbieter kassieren Körberlgeld. Sie verleihen Aktien gegen Gebühr an andere Investoren, beispielsweise Hedgefonds. Der ETF-Inhaber, also du, bekommt meist 50% dieser Leihgebühren gutgeschrieben, die andere Hälfte geht an den ETF-Anbieter. Und wie verhält es sich mit dem damit verbundenen Risiko? Das trägst du zu 100%. Wird die Gegenpartei zahlungsunfähig, erhält der passive Indexfonds im schlechten Fall die verliehenen Wertpapiere nicht zurückbekommt. Seitens des ETF-Emittenten eingeforderte Sicherheiten reduzieren das Risiko teilweise. Ein Blick in die Bedingungen zahlt sich aus. 

Kein Ertrag ohne Risiko. Das gilt auch bei ETF-Investments.

Wie denkst du nun über passive Indexfonds? Ein einfaches, transparentes und kostengünstiges Investment, dass auch bei Kleinstbeträgen eine Streuung ermöglicht?

Natürlich sind diese Aussagen zutreffend. Aber auch nicht die ganze Geschichte. Exchanged Trades Funds haben, so wie jede Investmentklasse, ihre Chancen und ihre Risiken. ETFs sind ebensowenig wie anderen Investments risikofrei oder transparent.

Seit Ausbruch der Finanzkrise ist eine Dekade um und die Aktienmärkte klettern mit kleineren Unterbrechungen seit fast zehn Jahren. Viele ETF-Investoren machten seither gute Erfahrungen und freuen sich über ihre Investments. Der echte Test steht noch bevor. Sowohl für das Instrument der passiven Indexfonds, für ihre Wirkung auf den Gesamtmarkt und für die Nervenstärke der Investoren.

Kluge Anleger und Anlegerinnen haben eine Strategie, wie sie mit ihren Investments bei hohen Kursgewinnen und hohen Verlusten umgehen. Das verhindert panische Reaktionen im Ernstfall.

Dir fehlt eine solche Strategie? Jetzt weißt du, wie du in den kommenden Tage dein zukünftiges Geld verdienen kannst. Überleg dir deine Krisenstrategie und halte dir die wichtigsten Richtlinien schriftlich fest.  Du möchtest schneller zum Ziel? Dann melde dich bei mir. Mit einem erprobten Prozess erarbeiten wir eine zu dir und deinen Investments passende Strategie. Vereinbare einfach dein kostenloses Erstgespräch. Hier geht es zu den Terminen. 

Weiterlesen, weiterhören, weiterdenken:

https://www.capital.de/geld-versicherungen/risiken-etfs

https://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/fonds-etf/investmentprodukte-die-unterschaetzten-risiken-der-indexfonds/23686374.html?ticket=ST-90633023-7uJC2T7mbVZ4ncs3yS4W-ap5

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/sparen-und-anlegen/welche-nachteile-haben-etfs-16604

https://www.fondsprofessionell.at/news/maerkte/headline/finanzprofessor-warnt-vor-etf-risiken-153516/

https://www.welt.de/finanzen/article182544958/ETFs-Bundesbank-warnt-vor-Schattenseiten-der-Indexfonds.html

Bildquellen:

www.canva.com

 

 

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