Kurzrunde durch den Begriffsjungel.

Wer nur kurz die Nase in nachhaltige Geldanlage steckt, erkennt schnell: Hier wimmelt es an Definitionen und Kriterienkatalogen. Was ist dran am Green und Impact Investing?

Interview mit Dr. Josef Obergantschnig über nachhaltige Investments.Dieser Frage gehe ich in einem Experten-Talk mit Dr. Josef Obergantschnig, Präsident des Wirtschaftsetikclubs ETHICO und Chefanylst bei der Capital KAG nach. Hier lernst du einige wichtigste Kennzahlen und Managementansätze für nachhaltige Investments kennen. Meine Kurz-Tour durch den grünen Begriffs-Urwald. 

Was ist denn nun nachhaltige Geldanlage?

Einfache Antwort: Das, was du darunter verstehst. Denn der Begriff ist weder einheitlich definiert noch geschützt.
Der Vorteil: Mit hoher Wahrscheinlichkeit findest du für deine Definition von Nachhaltigkeit das passende Investment.
Der Nachteil: Wenn du nicht einem Labeling aufsitzen möchtest, musst du dich mit verschiedenen Begriffen und Bewertungsmustern befassen.

Die Kernaussage verschiedener Definitionen: Nachhaltige Geldanlage berücksichtigen Ökonomie (Wirtschaft), Ökologie (Umwelt) und soziale Kriterien (Gesellschaft, Ethik) in der Auswahl. Unterschiede finden sich in den Ansprüchen an nachhaltig, ethisch und ökologisch. Man denke nur an die laufende Diskussion in der EU, ob Atomenergie nun grüne Energie sei, oder nicht.

Hier ein paar gängige Kennzahlen und Begriffe.

ESG steht für “Environment, Social und Governance”. Diese Größen finden Eingang im klassischen Management, um neben Finanzkennzahlen auch andere Kriterien zu berücksichtigen. Beispielsweie setzen einige ETF-Anieter auf dieses Bewertungsschema und ebenso die “grünen Taxonomie” der Europäischen Union. 

PRI (Principles for Responsible Investments) ist ein Regelwerk zur Integration von ESG-Kriterien im klassischen Analyseprozess. (siehe ESG-Integration).

SDGs (Sustainable Development Goals) sind das Kernstück des UN Global Compact. 2015 einigten sich 193 Mitgliedstaaten im Rahmen der “Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung” auf 17 Kernziele für eine nachhaltige Zukunft. Über die teilnehmenden Nationen hinaus werden anhand der SDGs die Nachhaltigkeit von Projekten und Unternehmen bewertet. In der Geldanlage können SDGs auch als Ausschlusskatalog verwendet werden.

SRI Sustainable and Responsible Investment” (vormals “Socially Responsible Investments”) ist ein weiteres Klassifikationsschema für nachhaltige Investments. Früher wurde zwischen “Core SRI” und “Broad SRI” unterschieden. “Core SRI” steht für Investments, die auf Basis von Ausschlusskriterien arbeiten. “Broad SRI” beschreiben weichere Strategien, beispielsweise Engagement oder ESG-Integration. 

Nach welchen Modellen funktioniert aktives und passives Green Investing?

“Engagement” und “ESG-Integration”? Was steckt hinter diesen Begriffen? Formen von nachhaltigen Investmentstilen. Hier die gängigsten in einem Schnelldurchgang: 

Ausschluss- und normbasierte Ausschlussverfahren

Anhand von Kriterien, beispielsweise Rüstungsindustrie, Tabakindustrie oder Umweltverschmutzung, wird das Anlageuniversum selektiert. Verschiedene Kriterienkataloge führen zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Zu den strengsten Ausschluss-Cluster zählt die “Richtlinie für Ethische Geldanlage der Österreichischen Bischofskonferenz (und Ordensgemeinschaft Österreich)”. Häufige Anwendung findet die UN Global Compact, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die ILO-Normen

Vorteil: Klare Kriterien, eindeutige Positionierung.
Nachteil: Reduziertes Anlageuniversum, nicht auf alle Investments anwendbar.

Best-in-Class Verfahren

Ist der Klassenbeste gut genug? Dieser Ansatz investiert in das nachhaltigste Unternehmen seiner Branche. Das Best-in-Class-Verfahren findet häufig in Kombination mit einem Ausschlussverfahren Anwendung. Innerhlab des selektierten Anlageuniversum wird in die nachhaltigsten Unternehmen investiert. 

Vorteil: Ansatz für einen positiven Wettbewerb.
Nachteil: Dieser Prozess holt nicht jedes Verständnis von Nachhaltigkeit ab. Der Eindruck von Green-Washing kann entstehen.

ESG-Integration

Die klassische Analyse und Auswahl von Investments wird mit ESG-Kriterien bereichert.

Vorteil: Integration nachhaltiger Faktoren in das klassiche Asset Management.
Nachteil: Es ist liegt kein einheitliches Kriterium für Nachhaltigkeit vor.

Impact Investing

Über die Auswahl der Investments sollen soziale und ökologische Veränderungen unterstützt werden. Rendite ist diesem Ziel untergeordnet. Microfinance, Green Building Investments oder Waldinvestments können zu dieser Kategorie zählen.

Vorteil: Fokus auf die realwirtschaftliche Veränderung.
Nachteil: Kein Rendite-Investment. Als Beimischung geeignet, sollte in der Buchführung als Spende gewertet werden.

Engagement und Voting

Vielleicht hast du auch von “Active Ownership” gehört. Die Idee: In fortlaufenden Gesprächen Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit motivieren. Beispielsweise dadurch, dass Investment-Zusagen an Nachhaltigkeitsziele gebunden sind (Engagement Policies). Voting ist nichts anders als das Abstimmungsverhalten bei Aktionärsversammlungen mit dem Ziel die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens einzufordern.

Vorteil: Aktive Mitbestimmung mit dem Ziel die Entscheidungen der Konzerne zu beeinflussen.
Nachteil: Investments können aktuell auch wenig nachhaltig sein. 

Nachhaltige Themen

Ob Wasser, Wald, oder Ökostrom. Themenfonds fokussieren sich auf ein nachhaltiges Thema. Ob und inwieweit das Thema und deren Umsetzung nachhaltig ist, muss der Investor selbst beurteilen. Ein Beispiel: E-Autos und Wassernot in Peru. 

Labels für nachhaltige Geldanlage.

Das steigende Interesse an nachhaltiger Geldanlage hat bereits zu einem Wildwuchs an Labels und Siegel geführt. Aber was hat welchen Wert? Worauf kannst du achten? Hier drei Labels im Überblick:

FNG-Siegel

Das FNG-Siegel definiert einen Standard basierend auf Mindestanforderungen in Transparenz und Prozess sowie Ausschluss der Segmente Rüstung, Kernkraft, Mensch- und Arbeitsrechte, Umweltschutz, Korruption, Kohle und Fracking. Darüber hinaus gibt es Upgrades mit ein bis drei Sternen. 

Österreichisches Umweltzeichen (UZ 49)

Dieses Label ist uns aus anderen Lebensbereichen gut vertraut. UZ 49 wird an Investmentfonds vergeben, die einem Kriterienkatalog, ausgearbeitet vom VKI (Verein für Konsumentenschutz) entsprechen. Für Unternehmen sind Ausschlusskriterien (wie Atomenergie, Rüstung, Gentechnik, Fracking) und Positivkriterien (wie Arten- und Tierschutz, Klimaschutz, Mitarbeiterzufriedenheit) definiert.

Auf Staatsebene gibt es politische, soziale und umweltbezogene Kriterien. Die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens sind weniger eng, als jene des UN Global Compact und der Österreichischen Bischofskonferenz. 

ÖGUT-RIS

Die ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) ist eine unabhängige Non-Profit-Organisation, die sich seit mehr als 30 Jahren für eine nachhaltige Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt. ÖGUT-RIS ist eine Selbstverpflichtung für Unternehmen, die ihr gesamtes Anlagevolumen nachhaltiger gestalten möchten.

Auf Basis einer „Black List” werden Unternehmen mit ethisch besonders problematischen Geschäftsaktivitäten (wie Rüstung, Nukleartechnik, Nuklearenergie und Agrogentechnik sowie Hauptverursacher des Klimawandels) und Staaten mit besonders unethischen Praktiken (massiv überhöhte Militärbudgets, geringste Demokratie- und Menschenrechtsstandards, extensivste Anwendung der Todesstrafe), aus dem Portfolio ausgeschlossen.

Grüne Taxonomie der EU

2020 kommt die neue EU-Kennzeichnung für nachhaltige Investments. Die Grüne Taxonomie unterscheidet zwischen “Grünen Investments”, emissionsarm oder emissionsfrei, „Transition“ für den Übergang zu einer emissionsärmeren Ökonomie und „Enabling“ bezeichnet Aktivitäten, die es anderen ermöglichen ihre Emissionen deutlich zu senken. Darüber hinaus sollen institutionelle Anlege, wie Versicherungen und Pensionsfonds, Investitions-Richtlinien auf ESG-Basis erhalten. 

Weiterlesen, weiterhören, weiterdenken:

Interview mit Dr. Josef Obergantschnig über nachhaltige Investments.

Expeten-Talk mit Dr. Josef Obergantschnig.

Weiterführende Links:

https://www.forum-ng.org/de/fng/aktivitaeten/64-definition-nachhaltige-geldanlagen.html
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_18_3729
https://www.bischofskonferenz.at/dl/muoMJmoJKMoJqx4KJKJKJKkolml/Richtlinie_Ethische_Geldanlagenfinal.pdf
https://www.issgovernance.com/esg/
https://www.unglobalcompact.org/
https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang–de/index.htm
https://www.unpri.org/
https://en.wikipedia.org/wiki/Environmental,_social_and_corporate_governance
https://sustainabledevelopment.un.org/?menu=1300
https://www.unepfi.org/fileadmin/documents/Demystifying_Responsible_Investment_Performance_01.pdf
https://www.bonddata.org/

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert